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Schweiz: Knapp jedes zweite Bienenvolk hat den Winter nicht überlebt

Zum fünften Mal hat der Verein Deutschschweizer und Rätoromanischer Bienenfreunde (VDRB) heuer eine Umfrage über die Völkerverluste des letzten Winters gemacht. So dramatisch wie in diesem Jahr sei es aber noch nie gewesen, erklärte Robert Sieber, Vizepräsident VDRB, heute vor den Medien. Die 955 Imker, die an der Umfrage teilnahmen, haben rund 50 Prozent ihrer Bienenvölker verloren. Auf die ganze Schweiz hochgerechnet, entspreche dies einem Verlust von rund 100‘000 Völkern. Von den Verlusten waren sämtliche Kantone mehr oder weniger stark betroffen. Anders als in den Vorjahren seien bereits vor dem Einwintern viele Bienenvölker verendet. 16,5 Prozent der Imker hätten zwischen 50 und 100 Prozent ihrer Völker verloren, im Vorjahr waren es nur gerade 6,4 Prozent.

Nach Aufnahme des Insektizids Imidacloprid sammeln Bienen weniger Nektar und informieren andere nicht mehr ausreichend über Nahrungsquellen

Wird das verbreitet eingesetzte Pestizid Imidacloprid von Bienen aufgenommen, stört es deren Lern- und Gedächtnisleistung. Diese schädliche Wirkung haben amerikanische Biologen jetzt genauer untersucht. Das als Nervengift wirkende Insektizid machte die Bienen wählerischer: Sie sammelten nur noch Nektar mit hohem Zuckergehalt. Außerdem informierten die geschädigten Bienen per Schwänzeltanz deutlich weniger Mitbewohner des Stockes über die Lage einer Nahrungsquelle, schreiben die Forscher im „Journal of Experimental Biology“. Beide Verhaltensänderungen verschlechtern die Versorgung eines Bienenvolks mit Nektar und könnten die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen.

Toxikologe Dr. Henk Tennekes: Neonikotinoide sind die apokalyptischen Reiter. Weil sie die Nahrungskette am Anfang brechen

Henk Tennekes blickte kürzlich auf die eindrücklichen Vogelmengen im niederländischen Wattenmeer. Als er durch die Kartoffelfelder Groningens nach Hause fuhr, erschrak er: „Die Gefahr ist groß, dass all die Vögel, die ich gesehen hatte, verschwinden, weil in den Kartoffelfeldern Neonikotinoide eingesetzt werden.“ Wie könnte man die Neonikotinoide charakterisieren? Ein Kollege nannte sie die apokalyptischen Reiter. Weil sie die Nahrungskette am Anfang brechen. Wenn die Insekten verschwinden, bricht das Ökosystem zusammen. Wir sind aus meiner Sicht auf dem besten Wege, dies herbei zu führen.“

Pestizide und Bienengesundheit: EFSA wertet wissenschaftliche Erkenntnisse aus

Die EFSA (European Food Safety Authority) hat eine Auswertung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den von Pestiziden ausgehenden Risiken für Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen veröffentlicht (Beilage). Auf Grundlage dieser wichtigen Arbeit können spezifische Leitlinien für die Bewertung möglicher Risiken entwickelt werden, die sich aus dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln für Bienen ergeben. Die Leitlinien werden aktuelle Empfehlungen für alle enthalten, die sich mit der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe befassen, einschließlich der Industrie und Behörden. Das heute veröffentlichte Gutachten zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Untermauerung dieser Leitlinien dienen sollen, wurde auf Ersuchen der Europäischen Kommission erstellt und trägt den wachsenden Bedenken von Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Imker-Verbänden hinsichtlich der Eignung des derzeit verwendeten Risikobewertungsmodells Rechnung.

Kontakt mit Pestiziden erhöht Alzheimerrisiko

Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, leben gefährlich. Sie kommen regelmäßig mit Schädlingsbekämpfungsmitteln in Kontakt – und die schädigen offenbar auf Dauer das Gehirn. Dies geht aus einer 1997 begonnenen Langzeitstudie des französischen Instituts für Volksgesundheit, Epidemieforschung und Entwicklung hervor, die in der Wissenschaftszeitung „Occupational and Environmental Medicine“ erschienen ist.

Pestizid schädigt Gehirn von Kindern im Mutterleib

Ein auch in Deutschland gängiges Schädlingsbekämpfungsmittel verursacht bleibende Schäden am Gehirn von Kindern im Mutterleib. Selbst bisher als ungiftig geltende Mengen des Insektizids Chlorpyrifos greifen bereits in die Gehirnentwicklung der Ungeborenen ein. Sie lassen wichtige Bereiche der Großhirnrinde schrumpfen und führen später zu spürbaren Einbußen in den geistigen Leistungen der Kinder, wie US-amerikanische Forscher im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" berichten. (doi:10.1073/pnas.1203396109). Bereits zuvor hatten Studien Hinweise darauf gefunden, dass eine Belastung mit Pestiziden aus der Gruppe der Organophosphate die geistige Entwicklung von Kindern hemmen könnte. Welche spezifischen Veränderungen der Hirnstrukturen diese Mittel verursachen, habe man aber erst jetzt nachgewiesen, sagen die Forscher. In ihrer Studie hatten die Wissenschaftler 40 New Yorker Kinder über sechs bis elf Jahre hinweg untersucht, die im Mutterleib verschieden stark mit dem Insektizid Chlorpyrifos belastet waren.

Gifte in Schrebergärten und auf Feldern bedrohen Bienenvölker

In der Schweiz werden gemäss Angaben des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) jährlich rund vier Tonnen Neonicotinoide auf Mais, Raps, Zuckerrüben, Gemüse, Kartoffeln, Obst und Zierpflanzen ausgebracht. Nicht nur die gängige Landwirtschaftspraxis ist schuld an der unterschwelligen Vergiftung unserer bestäubenden Insekten. Auch Privatpersonen greifen für ihren Schrebergarten oder ihre Balkonoase gerne auf Neonicotinoide zurück. Ihre systemische Wirkung ist äusserst praktisch, denn sie müssen nur in den Blumentopf gegossen werden, und schon sind die Blattläuse, die Weissen Fliegen oder die Spinnmilben Geschichte. Nur sind leider auch hier die Bienen die Leidtragenden.

Bienensterben: Einfluss der Bayer AG auf Politik und Wissenschaft in den Niederlanden

Henk Bleker (Niederländischer Staatssekretär für Landwirtschaft) hat es nicht einfach. In der vergangenen Woche, während einer hitzigen parlamentarischen Debatte über die Gründe für das weltweite massenhafte Bienensterben, dachte er, dass er eine endgültige Zusicherung gegeben hatte, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe bezüglich der Pestizid Problematik. Wissenschaftler, Umweltschützer, Politiker und Imker gehen sich gegenseitig an den Hals über die Frage, ob systemische Pestizide, so genannte Neonicotinoide, die Ursache für die Verluste von Bienenvölkern darstellen. Die Tatsache, dass in Europa und Nordamerika Millionen von Bienenvölkern starben, beunruhigt den niederländischen Landwirtschaftssekretär. Denn ohne Bienen gibt es keine Bestäubung für Karotten, Tomaten und Blumenkohl. Bleker beauftragte ein Team von Wissenschaftlern, dieses Problem zu untersuchen. Letzten Mittwoch konnte er das Parlament beruhigen: Seine wissenschaftlichen Berater führten eine Literaturrecherche durch und fanden: „dass es keinen Beweis für eine Verbindung zwischen dem Bienensterben und Neonicotinoiden gäbe.“ Somit gab es keinen Grund, den Einsatz dieser Pestizide zu stoppen. Bleker war glücklich, die Landwirte waren glücklich, und die Hersteller der Pestizide waren glücklich. Aber die Tinte seines Berichts war kaum getrocknet, als das führende Wissenschaftsmagazin „Science“ zwei neue Studien veröffentlichte, die bestätigen, dass Neonicotinoide in der Tat ernste Schäden bei Bienen hervorrufen. In der französischen Studie wurden Honigbienen mit Chip-Sendern ausgestattet und anschließend realistischen Feld-Dosen des von der Firma Syngenta entwickelten Pestizids „Cruiser“ (mit dem Wirkstoff Thiametoxam) ausgesetzt. Die Bienen, die das Neurotoxin aufnahmen, hatten größere Schwierigkeiten ihren Stock wieder zu finden und gingen auf dem Weg eher verloren (als die Bienen der unbehandelten Kontrollgruppe).
In der anderen Studie der Stirling University in Schottland wurden Hummeln sehr niedrigen Konzentrationen des Neonicotinoids Imidacloprid der Firma Bayer ausgesetzt. Die exponierten Kolonien erlitten einen 85%igen Rückgang in der Anzahl ihrer produzierten Königinnen. Dieser Verlust neuer Königinnen würde im folgenden Jahr entsprechend zu 85% weniger neuer Hummelkolonien führen.
Kamen die Offenbarungen von „Science“ aus heiterem Himmel, oder hätten Blekers Pestizid-Berater besser informiert sein müssen? Wer sind denn diese Experten, auf die sich der (niederländische) Staat offensichtlich verlässt?

Unerwarteter Weltuntergang - Ohne Insekten würde die Welt ins Chaos stürzen

Und wenn es plötzlich keine Insekten mehr gäbe? Die Entomologen stellen sich die Frage immer wieder, und wenn auch die Prognosen variieren, so herrscht in einem Punkt Einigkeit: Das menschliche Leben, wie wir es kennen, würde wahrscheinlich enden. Der namhafte Entomologe Edward O. Wilson, ausgezeichnet mit zwei Pulitzerpreisen und der National Medal of Science, gibt den Menschen nach dem hypothetischen Aussterben aller Wirbellosen (von denen Insekten die Mehrzahl stellen) noch zehn Jahre. Der Science-fiction-Autor Charles Pellegrino dagegen, der in seinem Roman «Dust» die katastrophalen Folgen eines globalen, programmierten Aussterbens aller Insekten beschreibt, lässt es weniger als sechs Monate dauern, bis die Menschheit auf eine Hand voll bedauernswerte, in alle Welt zerstreute Überlebende geschrumpft ist.