Münchener Studie bestätigt starkes Insektensterben in Deutschland

Die Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld war im Oktober 2017 wie eine Bombe eingeschlagen: Innerhalb von dreißig Jahren sei die Anzahl der Fluginsekten in Deutschland um drei Viertel zurückgegangen. Nun bestätigt ein Forscherteam um Sebastian Seibold und Wolfgang Weisser, die an der Technischen Universität München terrestrische Ökologie lehren, diesen Insekten-Schwund. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse am 30. Oktober in der Fachzeitschrift Nature.

"Bisherige Studien konzentrierten sich […] entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen", stellte Forschungsgruppenleiter Seibold die Besonderheit der neuen Forschungsarbeit heraus.

"Das Urteil ist klar. Mindestens in Deutschland ist der Insektenschwund real - und er ist so schlimm wie befürchtet", schrieb der Biologieprofessor William Kunin von der University of Leeds in einem Kommentar zu der Studie. Die Studie liefere den stärksten bisher verfügbaren Beleg für das Insektensterben, betonte er.

Die Wissenschaftler hatten zwischen 2008 und 2017 regelmäßig in drei Regionen des Landes sowohl Fluginsekten als auch andere Gliederfüßer wie Spinnentiere oder Tausendfüßer gezählt. Die Studie betrachtete 290 Standorte mit Wäldern und Graslandschaften auf der Schwäbischen Alb, im Hainich - einem bewaldeten Höhenrücken in Thüringen - sowie in der brandenburgischen Schorfheide.

Die Wissenschaftler untersuchten 150 Standorte in Graslandschaften jährlich zwei Mal. Mit Netzen sammelten sie die Tiere von der Grasfläche ein. Von den 140 Waldstandorten nahmen sie 30 jährlich unter die Lupe, der Rest an drei Jahren innerhalb des Jahrzehnts. Sie fingen die Insekten dort mit Fallen.

Insgesamt analysierten die Wissenschaftler Daten von mehr als einer Million Insekten und anderen Gliederfüßlern, die zu mehr als 2700 Arten gehörten. Sie berücksichtigten bei der Erhebung auch Schwankungen im Wetter, um damit verbundene Messfehler weitestgehend auszuschließen.

Sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern ging die Artenzahl im Studienzeitraum um etwa ein Drittel zurück. Auch deren Gesamtmasse nahm ab, besonders ausgeprägt in den Graslandschaften - dort um 67 Prozent. In den Wäldern schrumpfte sie um etwa 40 Prozent. Vermutlich hänge der Rückgang mit der Landwirtschaft zusammen, schreiben die Forscher. "Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet", sagte Weisser. "Das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen."

Quelle: Deutsche Welle, 31.10.2019
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