Unruhe über dramatische Insektenverluste

Die Insektenforscher von Krefelds Entomologischem Verein haben bei einer Messung zum Bestand an Insekten nach einem Standardverfahren eine bestürzende Entdeckung gemacht: Seit 1989 ist demnach die Menge an Insekten an zwei Stellen im Orbroicher Bruch um drei Viertel eingebrochen. "Mehr als 75 Prozent der flugaktiven Insekten sind einfach weg", sagt Heinz Schwan vom Entomologischen Verein.

Das seit "wirklich dramatisch", sagte er. "Und dramatisch ist auch: Wir wissen nicht, woran es liegt und was es für ökologische Folgen haben kann. Wir wissen nur, dass Insekten eine eminente systemische Bedeutung in der Natur haben." Schwan und seine Mitstreiter fordern nun dringend mehr Forschung über Ursache und Wirkung des Insektenschwundes. In der Fachwelt habe ihre Messung bereits für Unruhe gesorgt. Auf Grundstücken von Paul Nothers haben Heinz Schwan, Martin Sorg, Werner Stenmans und Andreas Müller im Orbroicher Bruch eine Prozedur wiederholt, wie sie 1989 an gleicher Stelle, in gleicher Form und von den gleichen Personen durchgeführt wurde. "Damit sind die Zahlen sehr verlässlich vergleichbar", betonen die Entomologen.

Eine Malaise-Insektenfalle, die die Entomologen im Orbroicher Bruch aufgestellt haben: Insekten werden angelockt und nach oben hin einen Schale mit Alkohol geleitet. Auf einer Wiese etwa 50 Meter vom Flöthbach entfernt wurden demnach zwei sogenannte Malaise-Insektenfallen aufgestellt – benannt nach dem schwedischen Insektenforscher René Edmond Malaise (1892 - 1978). Dabei werden die gefangenen Insekten über viele Monate gesammelt und gewogen. Hat man so 1989 noch an einem Standort rund 1,4 Kilogramm Bio-Insektenmasse gesammelt, waren es jetzt nur noch weniger als 300 Gramm – Sorg: "Das sind schon dramatische Werte, die wir uns schlechterdings nicht erklären können."

Paul Nothers, dem das Gelände, auf dem die Messung initiiert wurde, gehört, ergänzt: "Dramatisch ist auch, dass offenbar all die Anstrengungen, das Orbroicher Bruch und den Flöthbach zu renaturieren, nicht wirklich fruchten. Es sieht zwar heute schöner aus als früher, aber es fehlen die Tiere." Die Krefelder Entomologen betonen, dass ein solcher Insektenschwund Naturschutzbemühungen konterkariere und unabsehbare Folgen für ein Öko-System habe – Sorg dazu: "Gravierend ist der Verlust in der Nahrungskette; alle insektenfressenden Tiere haben damit ein Überlebensproblem.

Gravierend ist auch der Verlust an öko-systemischen Funktionen. Dazu gehören Blütenbestäubung, Zersetzungsprozesse oder die Qualität des Bodens, um nur wenige Beispiele zu nennen. Gravierend ist drittens der Verlust von Schlüsselarten – Arten mit besonderer Funktion, deren Verlust zwangsläufig das schleichende Verschwinden vieler anderer Arten nach sich zieht." Schwan, Sorg und ihre Mitstreiter wollen über Ursachen nicht spekulieren – sie fordern aber rasche und gründliche Aufklärung zu den Ursachen und Verursachern dieses Insektenschwundes inmitten von Naturschutzgebieten.

Sie halten ihre Messergebnisse für unangreifbar und relevant: Der Vergleich mit '89 sei fachlich und methodisch sauber – "das Gelände ist dasselbe, die Menschen, die die Messung gemacht haben, auch", betont Sorg. Das Gelände habe sich optisch eher verbessert, sagt Nothers – eigentlich müsste es ein kleines Naturparadies sein. Eben das macht den Schwund aus Sicht der Entomologen so unheimlich und bedrückend.

Quelle: RP, 30. Dezember 2013
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/unruhe-ueber-dramatische-in…