Rückgang der Biomasse an Insekten ist Ursache für den Singvögelschwund

Die Zahl der Singvögel im Vogtland geht zurück. Das sagt Michael Thoß, Naturschützer und Ornithologe aus Auerbach. Damit bestätigt er Aussagen, die die Teilnehmer der Vogelhaus-Aktion von "Freie Presse" gemacht haben. Sie haben beobachtet, dass weniger Gäste an die Futterstellen fliegen. Ursachen für den fehlenden Flugbetrieb hat der Ornithologe mehrere ausgemacht: "Grünfinken sind seit zwei Jahren von einer Pilzkrankheit, dem Gelben Kropf oder Gelben Knopf betroffen, an der viele Tiere sterben." Die Pilzerkrankung zerfrisst die Rachenschleimhaut. Nach einer gewissen Zeit können die Tiere nichts mehr fressen, nur noch trinken. Übertragen wird die Krankheit an Futterstellen. Thoß: "Während sich Meisen einen Sonneblumenkern schnappen und wegfliegen, sitzen Grünfinken im Vogelhaus und knabbern auf den Kernen herum."
Eine zweite Ursache für den Vogelrückgang sieht der Auerbacher im Ausbleiben der Schwärme von Erlenzeisigen und Bergfinken, die sonst aus dem Norden Europas nach Mitteleuropa geflogen sind. "Die sind in diesem Jahr nahezu komplett weggeblieben." Thoß vermutet, dass die Tiere in Skandinavien und Nordrussland genügend Nahrung gefunden haben und deshalb gar nicht erst gestartet sind.
Den Rückgang der Biomasse an Insekten in verschiedenen Gebieten Europas um bis zu 80 Prozent macht Michael Thoß als dritte Ursache für den Singvögelschwund aus: Das heißt nichts anderes, als dass Vögeln bis zu 80 Prozent weniger Futter zur Verfügung steht. "Das kann dazu beitragen, dass Meisen nicht sechs bis acht Junge großziehen, sondern nur zwei bis drei. In den ersten acht bis zehn Lebenstagen brauchen alle Singvögel Insekten als Futter." Später essen sie bei den Eltern im Hals vorgequollene Samen und dann Samen. Andere Arten werden noch später zum Körnerfresser.
Thoß sieht die Ursachen für den Rückgang der Insektenzahl beim Menschen. Einmal würden durch den Einsatz von Insektiziden viele Insekten sterben. Ein weiterer Grund dafür, dass die Nahrungskette Löcher hat, sei das Fehlen von blühenden Unkräutern auf Feldern. Insekten, die auf diese als Nahrung angewiesen sind, bleiben weg. Die dadurch ebenso ausbleibenden Unkrautsamen fehlen wiederum den körnerfressenden Vögeln. Ursache für diese Entwicklung: der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln auf den Feldern, sogenannten Herbiziden. Aber auch Kleingärtner tragen laut Thoß zum Rückgang der Blütenpflanzen bei - nämlich dann, wenn sie ihren Rasen jede Woche mähen.

Quelle: Freie Presse, 21.02.17
http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLAND/AUERBACH/Loecher-in-der-Nahr…