Die Kröten verschwinden leise

.„Was liegt denn da auf der Straße?“ Diese Frage stellte sich Gaby Weiß vor über zehn Jahren, als sie im Frühling mit dem Auto durch den Jägersburger Wald fuhr. Sie hielt an, stieg aus und schaute sich um. „Überall lagen verendete Tiere. Vielen waren die Innereien aus den Mäulern gequollen“, berichtet Gaby Weiß. Diese Bilder hat sie immer noch vor Augen.

Für die engagierte Tierschützerin war damals sofort klar, dass sie etwas tun muss. Sie kaufte einen Zaun, den sie entlang der L 3261 aufstellte, um die Kröten von der Fahrbahn fernzuhalten. Seitdem sammelt sie zusammen mit ihrem Helferteam die Amphibien ein, um die Tiere sicher zu ihrem Laichgewässer zu bringen. „Wir feiern jetzt Zehnjähriges“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln. Doch die Freude ist nicht ungetrübt. Denn: „Es werden immer weniger Tiere. Im ersten Jahr landeten in unseren Eimern 1300 Kröten, im vergangenen Jahr waren es noch 380 und in diesem Frühjahr lediglich 129 Tiere“, sagt Gaby Weiß. In den vergangenen fünf Jahren sei bereits ein Rückgang zu erkennen gewesen.

„Die Kröten verschwinden leise“, sagt Gaby Weiß, die sich in der Bibliser NABU-Ortsgruppe engagiert und dort Beauftragte für Vogelschutz ist. „Der Sommer 2018 war trocken und heiß, da sind viele Kröten und Frösche vertrocknet.“ Aber es gebe auch zu wenig Nahrung, betont sie. Und das liege am Insektensterben. Der Rückgang von Vögeln und Amphibien sei eine Folge davon. Die intensive Landwirtschaft trage dazu bei, dass die Insekten verschwinden. „Wenn zehn Prozent der Ackerflächen in Brachen verwandelt würden, sähe das schon anders aus.“

Da immer weniger Kröten am Schutzzaun an der L 3261 in den Eimern landen, überlegte Gaby Weiß sogar schon, ob sie die Tiere dort überhaupt noch einsammeln soll. Aber: „Solange die Kröten laufen, wird der Zaun aufgebaut“, entschieden sie und ihre Helfer. Dass trotz der Schutzvorrichtung noch ein großer Teil der aus dem Wald kommenden Amphibien auf der L 3261 überfahren wird, entmutigt die Tierschützer nicht. Sie wissen: Der 300 Meter lange Zaun kann längst nicht alle Tiere aufhalten.

Als Gaby Weiß vor zehn Jahren auf die toten Kröten im Jägersburger Wald aufmerksam wurde, fand sie heraus, dass die Tiere zum Laichen zur nahegelegenen Suhle im Wildschweingehege wollen. Damals entschloss sie sich, den Zaun aus festem Gewebe zu kaufen, der jedes Frühjahr an der L 3261 im Boden verankert wird. Die 1000 Euro für den Zaun hätten ihr der NABU und das Wasserwerk längst erstattet.

Entlang des Schutzzauns werden alle zehn Meter Eimer in den Boden vergraben. Wenn die Tiere nachts auf Wanderschaft gehen und auf die Barriere treffen, laufen sie seitlich weiter und fallen in einen dieser 30 Behälter. Morgens kommen die Naturschützer und tragen die Eimer über die Straße. Es werden immer noch viele Kröten überfahren. Aber selbst, wenn die Autos mit rund 20 Kilometer pro Stunde an den Tieren vorbeifahren würden, könnten diese das nicht überleben. „Die sind so zart, da reicht schon der Unterdruck.“

Gaby Weiß ist ihrem Helferteam dankbar, dass es seit Jahren zur Stelle ist. Sigrid Köhler aus Biblis kommt mehrmals die Woche in den Wald, um die Eimer mit den Kröten zum Wildschweingehege zu tragen. Zum Team gehören außerdem Beate Holzheid, Horst Becker und Walter Schuck. Sie legen die eingesammelten Kröten in eine Mulde am Gehege ab und bedecken sie mit Laub. Die Tiere setzen am Abend ihren Weg zur Suhle fort.

„Weitere Helfer sind willkommen“, betont Weiß. Für dieses Jahr ist die Krötenwanderung allerdings zu Ende und der Schutzzaun abgebaut. Mit Einhausen hat Gaby Weiß Kontakt aufgenommen, da die Gemeinde seit Jahresbeginn für das Wildschweingehege zuständig sei. Die Tierschützerin will nichts unversucht lassen, um gute Bedingungen für das Überleben von Erdkröten und den selten vorkommenden Kreuz- und Knoblauchkröten zu schaffen. /sm

Quelle: Mannheimer Morgen, 25. Mai 2019
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