Französische Forscher: Insektizid ist Grund für Bienensterben

Sie wollen den Grund für das große Sterben finden: Imker, Behörden und vielleicht sogar die Pharmaindustrie. Denn den vergangenen Winter hat etwa ein Drittel der eine Million Bienenvölker in Deutschland nicht überlebt - doppelt so viele wie in den Jahren zuvor. War es die Varroamilbe, die Bienen befällt, oder doch das Pflanzenschutzmittel Gaucho, mit dem Bauern vermehrt ihr Saatgut behandeln? Eine Studie des staatlichen Wissenschaftlich-technischen Komitees in Frankreich hat den Streit nun neu entfacht: Die Behandlung der Saat mit dem Insektizid schwäche die Bienen und trage so zum großen Sterben bei.

Die Wissenschaftler hatten zwei Jahre lang im Auftrag des französischen Landwirtschaftsministeriums alle Studien neu ausgewertet, die es zum Gaucho-Wirkstoff Imidacloprid gibt: 483 Analysen, Veröffentlichungen und Dokumente. "Fast alle haben wir aber als nicht relevant eingestuft", sagt Jean-Marc Bonmatin vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Paris. "Viele Studien sind vom Gaucho-Hersteller Bayer durchgeführt oder in Auftrag gegeben worden und deshalb nicht objektiv." Verwertbare Daten liefern dem promovierten Chemiker zufolge nur rund zehn Untersuchungen, die Hälfte davon hat er selbst durchgeführt.

Der angegriffene Konzern weist jeden Vorwurf von sich. In einer Pressemitteilung kritisiert Bayer CropScience die Auswertung der französischen Forscher. "Befunde aus zahlreichen praxisnahen Versuchen blieben völlig unberücksichtigt", schreibt die Firma. Stattdessen hätten die Forscher nur Laborexperimente ausgewertet. Es sei daher nicht zulässig, die Gefahr durch Imidacloprid abschließend zu bewerten. Anfang des Jahres hat Bayer selbst noch einmal eine große Studie mit seinen Insektiziden in vier französischen Regionen begonnen. Weltweit setzt das Unternehmen jährlich rund 600 Millionen Euro mit dem Stoff um, der unter anderem in den Pflanzenschutzmitteln Gaucho und Chinook wirkt.

Auch der Präsident des Deutschen Berufsimkerbundes, Ulrich Hofmann, ist skeptisch: "Wir schließen eine Gefährdung durch Imidacloprid nicht aus, können aber nach wie vor keine beweisen." Schon im Dezember 1993 wurde das Pflanzenschutzmittel Gaucho von der Biologischen Bundesanstalt in Deutschland zugelassen. Mittlerweile gibt es insgesamt 21 verschiedene Insektizide mit dem Wirkstoff Imidacloprid in Deutschland, die vor allem bei Raps und Mais eingesetzt werden. Das Nervengift soll die auskeimende Saat während der ersten Wachstumsphasen vor Fressfeinden schützen. Deshalb erhalten die Saatkörner vor dem Ausbringen einen Überzug mit dem Pestizid. Das Gift bleibt allerdings in der Pflanze erhalten, es findet sich sogar noch in der Blüte.

Orientierungslos im Maisfeld

Ob das die Bienen stört, ist umstritten. "Das Gift ist nicht allein Schuld an der Entwicklung, aber zu einem großen Teil", folgert der Münchner Imker Fridolin Brandt aus seinen Beobachtungen. Mit Beginn der Maisblüte im August 2002 hätten sich seine Bienen immer weniger orientieren können, sagt Brandt. "Sie fanden nicht mehr nach Hause und starben." Und viele Tiere, die den Stock erreichten, waren so geschwächt, dass sie im folgenden Winter eingingen. Dagegen glauben viele Fachleute nicht daran, dass das Pflanzenschutzmittel die Bienen beeinträchtigt. "In keinem einzigen Testversuch mit Imidacloprid ist auch nur die Andeutung von Schäden für die Bienen erkennbar gewesen", erläutert der Leiter der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen am Biologischen Bundesamt, Dietrich Brasse. Er glaubt vielmehr, dass die Varroamilbe den Insekten zusetzt.

Womöglich wirken beide Faktoren zusammen: Nach Ansicht von Naturschützern könnte Gaucho die Anfälligkeit der Bienen für die Varroamilbe erhöhen, indem es das Abwehrsystem der Bienen schwächt. Denn der Parasit setzt sich auf dem Körper der Biene fest und saugt sie nach und nach aus.

Die Argumente können alle Parteien in Kürze austauschen. Für Anfang 2004 plant das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Konferenz zum Bienensterben. Denn die Behörde, die seit vergangenem Jahr für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist, will die möglichen Gefahren nicht ignorieren. Wenn sich die Experten zusammensetzen, ist der Einsatz von Imidacloprid bei Sonnenblumen in Frankreich schon seit fast fünf Jahren verboten.

Autor: Sven Preger
Süddeutsche Zeitung, 26.11.2003
http://www.apiservices.com/_menus_fr/index.htm?dossier_intoxications.ht…