Naturschützer bangen um Bäche

Kleine Bäche sind eine sprudelnde Freude für Spaziergänger, Naturfreunde und Fischer. Und selbstverständlich sind sie Lebensraum für unzählige kleinere und grössere Lebewesen wie Bachflohkrebse, Bachforellen oder Wasserfrösche. Sofern sie denn einigermassen sauber sind. Eine Studie des Bundesamts für Umwelt kam kürzlich zum Schluss, dass kleine Fliessgewässer in der ganzen Schweiz mit einer Vielzahl von Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden belastet sind. Der Eschelisbach im Kanton Thurgau beispielsweise wies über fast die gesamte sechsmonatige Studiendauer eine zu hohe Schadstoffkonzentration auf. Auch die alltägliche Belastung durch Gülle setzt den Bächen zu; ganz zu schweigen von Unfällen mit Gülle, die oft zu gröberen Gewässerverschmutzungen führen, wie Polizeimeldungen belegen. Gülle ist, auch vorsichtig ausgetragen, eine Schadstoff-Gefahr, die vom Wasser ferngehalten werden sollte. Umso empörter sind Fischer und Umweltschützer über eine Änderung in der Gewässerschutzverordnung, die seit dem 1. Mai in Kraft ist.

Die Gewässerschutzverordnung enthält Bestimmungen darüber, wie der Raum um Gewässer herum genutzt werden darf. In der Verordnung heisst es neuerdings, dass «auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden kann, wenn das Gewässer sehr klein ist» – sofern «keine überwiegenden Interessen entgegenstehen». Die Auslegung des Begriffs «sehr klein» überlässt der Bund dabei den Kantonen. Daniel Landis, Präsident des Fischereiverbands des Kantons St. Gallen, befürchtet nun, dass durch diese Lockerung Pestizide und Dünger wieder näher an den Ufern kleiner Bäche ausgebracht werden dürfen. «Dies hätte natürlich negative Konsequenzen für Fische und andere Wasserlebewesen.» Die Folgen gehen laut Landis aber weit darüber hinaus. «Durch die Pestizide und die Gülle wird das Wasser permanent belastet. Die Giftstoffe reichern sich in der Nahrungskette an und verunreinigen auch das Grundwasser und schliesslich unser Trinkwasser.»

Besonders brisant daran: Diese Gewässerschutzräume gibt es noch nicht lange. Sie wurden vor sechs Jahren als Zugeständnis an die Fischer eingeführt, worauf diese ihre Volksinitiative «Lebendiges Wasser» zurückzogen. «Nun werden diese Regeln quasi durch die Hintertür wieder aufgeweicht», sagt Lukas Indermaur, Projektleiter Alpenrhein beim WWF Ostschweiz. «Ich halte das Vorgehen für höchst undemokratisch.» Ganz überraschend kommt die Lockerung aber nicht. «Die Gewässerschutzräume stehen politisch von mehreren Seiten her unter Beschuss. Besonders in Landwirtschaftskreisen herrscht grosse Unzufriedenheit, weshalb sich die Bauernlobby für Lockerungen im Gewässerschutz einsetzt.» Die Landwirte beklagen insbesondere den Verlust von Nutzland. Für den Gewässerbiologen Indermaur gehen solche Lockerungen der Gewässerschutzverordnung grundsätzlich in die falsche Richtung. «Aufgrund der starken Schadstoffbelastung kleiner Bäche bräuchten wir eigentlich viel schärfere Regeln. Selbst die ursprünglich beschlossenen Gewässerschutzräume stellten sich im nachhinein als nicht gross genug heraus.»

St. Galler Fischer und Naturschützer wollen ihren Anliegen beim Kanton Gehör verschaffen. «Die Verordnung können wir nicht kippen», sagt Fischereiverbandschef Landis. «Wir wollen aber dafür sorgen, dass der Kanton auf unsere Anliegen Rücksicht nimmt und genügend grosse Gewässerräume festlegt.»

Quelle: Tagblatt, 24.05.17
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/naturschuetzer-bangen-um-baeche;art12…