Unkrautvernichtungsmitteln schaden Insekten indirekt, indem sie ihre Futterpflanzen vernichten

Die Streifzüge, die Julia Hy-Keller durch den Hinterlandswald unternimmt, sind lang. Bewaffnet mit ihrer Kamera und meist in Begleitung von Dackelhündin „Luna“, ist sie oft mehrere Stunden unterwegs, um Wildtiere zu beobachten. Füchse, Reh- und Rotwild, Eulen, Milane, Eichhörnchen, Schmetterlinge und andere Insekten sowie alle Arten von Pflanzen bannt die begeisterte Naturfotografin bei diesen Wanderungen auf ihre Speicherkarte; mehr als 32 000 Fotos sind inzwischen zusammengekommen. Die stimmungsvollen Aufnahmen sollen jedoch nicht nur das Auge erfreuen. Vielmehr dienen sie auch dem Zweck, die Entwicklung bestimmter Tier-Populationen zu dokumentieren. „Monitoring“ nennt Hy-Keller das, was sie und weitere Mitglieder des Naturschutzbundes Untertaunus seit rund drei Jahren betreiben.Vor allem die Wildkatzen, aber auch den Luchs, Eulen, jagdbares Wild wie Rehe, Hirsche und Wildschweine sowie Schmetterlinge hat die Tierschützerin dabei im Visier. Zwar genügen ihre Aufzeichnungen nicht den Anforderungen, die für wissenschaftliche Untersuchungen oder Gutachten zugrunde gelegt werden. Dennoch gewähren sie nach Überzeugung der Nabu-Vorsitzenden Einblicke in Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der unterschiedlichen Tierarten und den Einflüssen durch die Zivilisation. Dazu gehören beispielsweise die Auswirkungen von Unkrautvernichtungsmitteln. Die schaden Insekten oft nicht direkt - dafür aber indirekt, indem sie ihre Futterpflanzen vernichten. „Alles totgespritzt“, fasst Hy-Keller ihre Beobachtungen zusammen, die sie auf den Feldern, aber auch in privaten Gärten im Untertaunus gemacht hat. Wo nur Buchsbäume und Rasen wachsen, finden die Raupen der Schmetterlinge keine Nahrung - die Folge: die Zahl der filigranen Schönheiten nimmt immer weiter ab.

Einen spürbaren Rückgang hat sie beispielsweise bei den Schwalbenschwänzen festgestellt, und auch Ameisen-Bläulinge, Schiller- und Perlmuttfalter sieht man fast kaum noch. Von den mehr als 100 in Hessen heimischen Schmetterlingsarten sind nur 28 nicht bedroht; die überwiegende Zahl ist stark gefährdet oder schon ausgestorben. Auch überdüngte Wiesen, auf denen nichts mehr blüht, umgeackerte Ackerränder und der Kampf der Gärtner gegen das sogenannte „Unkraut“ trägt zum Sterben der Schmetterlinge bei. Als Nabu-Schutzgebietsbetreuer für die FFH-Gebiete Wispertaunus, Hinterlandswald und angrenzende Gemarkungen richten Hy-Keller und Uwe Keller ihr Augenmerk auch auf etliche Vogelarten. Zu denen, die ihnen besondere Sorgen machen, gehören beispielsweise die Feld- und die Haubenlerche, die in der intensivierten Landwirtschaft kaum noch Lebensraum findet. Um den Vögeln zu helfen, müssten Bauern „Lerchenfenster“ anlegen; zimmergroße Bereiche, in denen nichts gesät wird. Solche Brachflächen benötigen die Vögel für Balz, Brut und Aufzucht der Jungtiere. Doch obwohl es Fördermittel vom Land gäbe, mache dies keiner, beklagt Hy-Keller.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 17.11.2012
http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/rheingau/landkreis/12599828.h…