Glyphosat, Hauptwirkstoff der meisten handelsüblichen Herbizide, ist ein Pflanzengift. Es vergiftet aber nicht nur Pflanzen, sondern schleichend auch Tiere und Menschen. An einer deutschen Universität wurden Urinproben der städtischen Bevölkerung auf Belastungen mit Glyphosat untersucht. Alle Proben wiesen erhebliche Konzentrationen des Herbizidwirkstoffes auf, sie lagen um das 5- bis 20fache über dem Grenzwert von Trinkwasser.
Die meisten Herbizide, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, aber auch zum Unterhalt von Gleisanlagen, städtischen Gehwegen, Straßenrändern und Kleingärten dienen, enthalten den Wirkstoff Glyphosat. Die bekanntesten Glyphosat- Herbizide sind die von Monsanto hergestellten Roundup- Produkte, doch seit Ablauf des Patentes werden sie auch von zahlreichen anderen Agrochemie-Konzernen wie Syngenta, Bayer, Nufarm oder DowAgro Science hergestellt und vertrieben. Die Hälfte der rund 800 000 Tonnen Glyphosat, die jedes Jahr weltweit produziert werden, kommen mittlerweile aus China.
Das 1950 in der Schweiz entwickelte und 1970 von Monsanto synthetisierte Glyphosat greift sehr stark in den Stoffwechsel von Pflanzen ein und verhindert die Bildung lebenswichtiger Aminosäuren. Glyphosat ist ein systemisch wirkendes Breitband- Gift gegen fast alle grünen Pflanzen. In Abhängigkeit von der Stoffwechselintensität sterben behandelte Pflanzen innerhalb weniger Tage vollständig ab.
Durch gentechnische Veränderungen wurden von Monsanto, Bayer und anderen Firmen Pflanzen entwickelt, die resistent gegen Glyphosat sind. So können Plantagen mit genmodifizierten Mais, Soja oder Raps mit Glyphosat abgespritzt werden, um Unkraut zwischen den Kulturpflanzen zu vernichten. Durch diese Methode bleiben jedoch Glyphosat-Rückstände auf dem Erntegut zurück und gelangen in die Nahrungskette von Tier und Mensch.
Glyphosat im Urin von Mensch und Tier
Monsanto wirbt weiterhin mit der hohen Umweltverträglichkeit von Roundup-Produkten und behauptet, dass diese weder für Tier noch Mensch giftig wären. Umweltschützer, Tierärzte, Humanmediziner und Wissenschaftler warnen jedoch zunehmend vor den Gefahren von Glyphosat in der tierischen und menschlichen Nahrungskette sowie in der Umwelt. Äußerst bedenklich ist, dass Glyphosat inzwischen auch im Körper von Tieren und Menschen nachgewiesen wird. Auf der Suche nach den Ursachen für schwere Erkrankungen ganzer Tierbestände in Norddeutschland, insbesondere bei Rindern, wurde wiederholt Glyphosat in Urin, Kot, Milch und Futtermitteln der Tiere festgestellt. Alarmierend war, dass auch bei den betroffenen Landwirten Glyphosat im Urin nachgewiesen wurde.
Belastungen im menschlichen Urin
Um abzuklären, ob Glyophosat-Belastungen nur bei Personen mit direktem Kontakt zu kontaminierten Futtermitteln oder Glyphosat-Präparaten nachzuweisen sind, oder ob auch andere Bevölkerungsgruppen einer Gefährdung unterliegen, wurden Angestellte, Journalisten und Anwälte aus Berlin untersucht(*), die keinen Umgang mit Glyphosat-Präparaten hatten. In allen Urinproben dieser Personengruppen wurde im Dezember 2011 Glyphosat nachgewiesen. Die Werte schwankten von 0,5 bis 2 ng Glyphosat pro ml Urin (Trinkwassergrenzwert: 0,1 ng/ml). Keiner von den Untersuchten hatte direkten Kontakt mit der Landwirtschaft.
Totspritzen vor der Ernte
Glyphosat gelangte in den letzten 10 Jahren wahrscheinlich zunehmend über die täglichen Nahrungsmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Getreideprodukte in unsere Körper. Gentechnisch verändertes Roundup-Soja, dessen Glyphosat- Rückstände in die tierische Nahrungskette gelangen, sind dabei allerdings nur ein Risikofaktor.
Noch gefährlicher ist momentan, dass in der EU seit einigen Jahren vermehrt Herbizide zur Sikkation von Erntebeständen, insbesondere von Getreide, Kartoffeln, Raps und Hülsenfrüchten, eingesetzt werden. Bei dieser Methode werden Herbizide kurz vor der Ernte direkt auf die zu erntenden Kulturpflanzen gespritzt. Das Totspritzen, wie die Sikkation treffender bezeichnet werden sollte, erleichtert durch gleichmäßig abgestorbene Pflanzen die Ernte. Wenn zum Beispiel in einem nassen Sommer wie 2011 das Getreide nicht mehr richtig ausreift, wird es mit den Herbiziden zur "Totreife" gebracht. Auf diese Weise können die erwünschten Trockengrade des Korns erreicht und zugleich das Unkraut für die nächste Aussaat entfernt werden.
Bei Kartoffeln wird durch die Herbizidspritzung (2,5 l/ha) kurz vor der Ernte die Festigkeit der Schalen verbessert sowie die Anfälligkeit für Knollenfäule und die Keimfähigkeit der Kartoffeln reduziert, was die Lagerfähigkeit verbessert. Ein Teil der Wirkstoffe des Herbizids dringt dabei über den Blattkörper direkt in die Kartoffel ein. Der Abbau des Pflanzengifts findet erst im Körper der Konsumenten statt.
In der Werbeschrift von Syngenta heißt es zur Sikkation: Die chemische Sikkation gehört heute für professionelle Betriebe zu den Standardmaßnahmen einer qualitativ hochwertigen Produktion [...]. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der "ökonomischen Reife", da durch den Einsatz des Krautabtötungsmittels eine sichere Terminierung des Ernteablaufes möglich ist.
Vor diesem Hintergrund haben die EU-Behörden den Grenzwert für Glyphosat in Brotgetreide um das 100fache gegenüber dem Grenzwert für Gemüse heraufgesetzt. Im Futtergetreide ist er sogar um das 200fache erhöht worden, wobei dies nicht einmal in relevanten Stichproben überprüft wird. Dabei sind den Pflanzenschutzbehörden die negativen Auswirkungen von Gyphosat durchaus bewusst. So ist Glyphosat nicht zum Totspritzen bei der Saatgutvermehrung und bei Braugerste zugelassen, da dadurch die Keimfähigkeit herabgesetzt wird. Mit totgespritztem Getreide kann kein Bier gebraut werden. Bei Brot- und Futtergetreide wird aber die herabgesetzte Keimfähigkeit in Kauf genommen. Getreidestroh aus totgespritzten Beständen soll gemäß der Behörde im gleichen Jahr nicht zur Fütterung eingesetzt werden, was aber weder kontrolliert noch eingehalten wird (siehe auch den hervorragend recherchierten Artikel: Sikkation - ein Grund zu Fragen). Es ist so unvorstellbar, dass man es sich noch einmal vor Augen führen muss. Kurz bevor Getreide geerntet, gedroschen und an Großbäckereien verkauft wird, spritzen die Bauern es mit Total-Herbiziden noch einmal ab, damit die Getreidepflanzen absterben und eine gleichmäßige Scheinreife aufweisen. Man könnte das Glyphosat genauso gut auch in den Brotteig rühren. Mit eiweißreichen Futtermitteln ist es das gleiche, auch da wird das Herbizid direkt in die Frucht gespritzt, bevor es einige Tage später als Kraftfutter verkauft wird.
Sikkation ist einer der ungeheuerlichsten Skandale der modernen Landwirtschaftsgeschichte. Grund dafür ist nicht zuletzt eine katastrophale Lücke in der EU-Gesetzgebung. Während bei der Ausbringung von Pestiziden und Insektiziden nachvollziehbare Wartezeiten zwischen Ausbringung des Pestizides und der Ernte eingehalten werden müssen, gilt für Glyphosat [und vergleichbare Wirkstoffe wie Glufosinat-Ammonium (Basta/Liberty Link), Deiquat oder Diquat (Reglone), Carfentzarone (Shark), Cyanamid (Azodef), Cinidon-ethyl (Lotus) und Pyraflufen (Quickdown)], weil sie als Herbizide eingestuft sind, nur eine völlig ungenügende Wartezeit. Während z.B. im Weinbau beim Einsatz von rein mineralischem Netzschwefel eine Wartefrist von 8 Wochen gilt, darf Brotgetreide mit einer Wartefrist von lediglich 7 Tagen mit Glyphosat gespritzt werden.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Unabhängig aller sonstigen Risiken von Glyphosat muss ein unverzügliches Verbot der Sikkation durchgesetzt werden. Sikkation ist fahrlässige Körperverletzung und auch mit dem gesetzlich verankerten Tierschutz nicht zu vereinbaren. Im Gegensatz zur EU ist die Sikkation mit Herbiziden in der Schweiz verboten, was die Schweizer Konsumenten und den Schweizer Viehbesatz allerdings nur bedingt schützt, da knapp die Hälfte der Lebensmittel und zwei Drittel der Futtermittel aus Ländern importiert werden, in denen Sikkation die übliche landwirtschaftliche Praxis geworden ist.
Sonstiger Einsatz von Glyphosat
Glyphosathaltige Präparate werden auf öffentlichen Flächen wie Kindergärten, Schulen oder Parkanlagen zur Unkraut und Gehölzbekämpfung eingesetzt. Gemeinden und Städte halten auf diese Weise Strassen- und Wegränder bewuchsfrei. Das ist zwar gesetzlich sowohl in Deutschland (§ 6 Abs. 2 PflSchG ) als auch in der Schweiz verboten, wird von den Gemeindeverwaltungen aber quasi flächendeckend ignoriert. Die Bundesbahn hält mit Glyphosat ihre Gleisanlagen kahl, wobei es insbesondere in den Bahnsteigsbereichen zu gefährlichen Ausgasungen kommen kann. In Kleingärten wird Roundup gern zur Erneuerung von Rasenflächen und zur Säuberung von Gehwegen eingesetzt. Da Glyphosat-Präparate über die Baumärkte und den Internet-Handel unbegrenzt verfügbar sind, lassen sich unsachgemäße Anwendungen im Wohnumfeld und in Kleingärten nicht ausschließen. In konventionellen Dauerkulturen wie Wein, Himbeeren, Apfel, Kiwi usw. werden mittels Glyphosat die Flächen unterhalb der Kulturpflanzen freigehalten, oft aber sogar die gesamten Plantageflächen. In verschiedenen Kulturen, wie beispielsweise auf Ananasplantagen, werden die Pflanzen nach der Ernte mit enormen Mengen Glyphosat abgespritzt, um anschließend mit geringerem Aufwand die abgestorbenen Pflanzenreste in den Boden unterzupflügen.
Gesundheitliche Auswirkungen von Glyphosat
Einige bedenkliche Auswirkungen von Glyphosat sind den Pflanzenschutzmittelbehörden in Deutschland durchaus bekannt (siehe: Anfrage der Grünen im Bundestag oder auch die NABU-Studie). Keine ausreichenden Erkenntnisse liegen jedoch über die Verbreitung der Kontamination von Futter und Lebensmitteln und den daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen vor.
Der Nachweis von Glyphosat ist nicht ganz einfach und kann bisher nur in wenigen Speziallabors durchgeführt werden. Im Boden wird Glyphosat stark an Bodenpartikel angelagert. Es beeinträchtigt nützliche Bakterien und tötet Algen ab. Dadurch können sich verstärkt pflanzenschädigende Schimmelpilze vermehren, und es kann zur Festlegung von Mikronährstoffen, insbesondere Mangan, und damit zu Mangelerkrankungen kommen. Ein ähnlicher Effekt wird im Verdauungstrakt von Tieren und Menschen vermutet. Ob und in welchem Ausmaß sich daraus gesundheitliche Auswirkungen ergeben, ist bislang nicht ausreichend geklärt. Glyphosat kann unter Umständen auch die Mikroorganismenflora im Magen-Darm-Trakt von Mensch und Tier beeinträchtigen. Die schleichenden negativen Veränderungen der Darmflora haben mit großer Wahrscheinlichkeit auch langfristig gesundheitliche Folgen, wie erste Studien befürchten lassen.
Glyphosat steht zunehmend im Verdacht, die Fortpflanzung und Embryonalentwicklung von Mensch und Tier zu beeinträchtigen. Beispielsweise wurden bereits Fruchtbarkeitsstörungen bei Rindern beobachtet. Glyphosat steht darüber hinaus im Verdacht, bei Menschen bestimmte Krebserkrankungen des lymphatischen Systems zu fördern und die Entstehung von Hauttumoren zu begünstigen. In die Verdauungstrakte von Tier und Mensch gelangt mit dem Glyphosat eine Zeitbombe, die durch weitere Störungen, wie schlechte oder einseitige Nahrung sowie durch Stress, zur Zündung gebracht werden kann (siehe: Resümee wissenschaftlicher Studien zu gesundheitlichen Risiken durch Glyphosat, siehe auch die ARD-Reportage "Monsanto-Gift im Acker").
Anfang 2009 konnte Prof. Gilles Seralini und sein Team von der Universität Caen nachweisen, dass bereits geringe Mengen von Roundup zum Absterben menschlicher Zellkulturen führen. Seralini kam zu dem Schluss, dass Belastungen, wie sie typischerweise als Rückstand in mit Roundup sikkatiertem Getreide und somit in der menschlichen oder tierischen Ernährung zu erwarten sind, zu Zellschädigungen führen. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt das Insektengift DDT als segensreich und unverzichtbar. Es war für die Hersteller ein großes Geschäft. Doch DDT reicherte sich aufgrund seiner chemischen Stabilität weltweit im Fettgewebe von Tieren und Menschen an. Es geriet in den Verdacht, krebserregend zu sein. Daraufhin wurde DDT nach langjährigen Auseinandersetzungen in den meisten westlichen Ländern in den 70er Jahren verboten. Das aufrüttelnde Buch "Der stille Frühling" von Rachel Carson, das 1962 erschien, hatte daran einen wesentlichen Anteil.
Wir sollten uns fragen, was uns unsere Gesundheit wert ist, und ob wir und unsere Kinder zukünftig immer mehr Glyphosat täglich aufnehmen wollen. Es gab zu DDT und es gibt zu Roundup bessere Alternativen. Es liegt an uns Verbrauchern, den Landwirten und den verantwortlichen Stellen in den Regierungen und Gemeinden, ob sich Glyphosat weiter in der Umwelt und unserer Nahrungskette anreichern soll.
(*) Die Adresse des untersuchenden Universitätslabors, die Analysewerte und die Evaluation der Analysemethode liegen der Redaktion vor. Aufgrund von nicht unerheblichem Druck durch Vertreter der Agrochemie und der Befürchtung, dass die Arbeit des Labors zu stark beeinträchtig werden könnte, werden die kompletten Analysereihen erst im Laufe des Jahres veröffentlicht. Es wird derzeit die Glyphosat-Analytik in mehreren Labors Deutschlands, der Schweiz und Österreichs aufgebaut, um standardmäßig und in repräsentativen Größenordnungen die Belastung von Tieren, Menschen, Lebens- und Futtermitteln ermitteln zu können. Denn bisher ist es nicht einmal möglich, die eigene Belastung oder die des eigenen Viehbestandes nach geeichtem Standard analysieren zu lassen.
Quelle: Greenpeace Aachen, im Mai 2014
http://www.greenpeace-aachen.de/gentechnik/herbizide_im_urin.php
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