Fischbestand im Doubs ist seit Jahren rückläufig

Urs Dublin blickt auf den Doubs und runzelt die Stirn. Durch den Kopf geht ihm «nichts Gutes». Sein Zustand bereitet ihm Sorgen. Und mit ihm vielen anderen Anglern, etwa der «Société des pêcheurs à la ligne du Doubs». Aber auch den vielen Naturliebhabern, die sich dafür einsetzen, dass zum Doubs, einem der naturbelassensten Flüsse Europas, Sorge getragen wird. Dies zu Recht. Denn das Ökosystem des Flusses wird gleich von mehreren Seiten her beeinträchtigt: Durch variable, schnell ändernde Pegelstände des Wassers sowie durch um sich greifende Krankheiten wie den Saprolegnia-Pilz. Aber auch Gewässerverschmutzungen und Mikro-Verunreinigungen tragen das ihre dazu bei. «Wenn es so weitergeht», so schreibt der ortsansässige Anglerverein, «werden unsere Flussbewohner in nicht allzu weiter Zukunft nur noch eine ferne Erinnerung sein, und unsere Kinder werden Fische aus den Büchern und von den Angelfotos ihrer Eltern kennen.»

Urs Dublin war erstmals am Pfingstwochenende 1963 am Doubs. «Ich ­angelte unter anderem in der Nähe von Tariche, wenige Kilometer von St-Ursanne entfernt, und fing zwei schöne Forellen.» Danach packte den ehemaligen Lehrer die Faszination und Leidenschaft des Fliegenfischens, also die wahre Kunst des Angelns. Es hatte Fische, «dass es gchlöpft het». Zwar sei es auch damals vorgekommen, dass man ohne Fang wieder nach Hause ging. «Bei guten Bedingungen jedoch konnte man zehn bis fünfzehn Forellen an einem Abend fangen.»

Tempi passati. Der Fischbestand ist merklich zurückgegangen. Und: Man sieht immer mehr Fische, die auf dem Rücken schwimmen oder auf diese ­Weise im zunehmenden Algenbewuchs hängen. Ebenso rückläufig wie die Fische ist auch die Zahl der Angler. Wurden vor zehn Jahren am Doubs, dem ausgewiesenen Fliegenfischer-Paradies, noch reichlich Angler gesichtet, so trifft man heute nur noch wenige Angler. Diese Entwicklung spiegelt auch die schwankende Mitgliederzahl des Anglervereins: War dieser zu den besten Zeiten mit rund 450 Mitgliedern bestückt, so zählt dieser heute vielleicht noch knapp 200 Mitglieder. Die Wasserkraftwerke verursachen mit der Stauung des Wassers beziehungsweise der Entleerung des Beckens wohl das grösste Problem. Während der Laichzeit der Fische sind plötzlich wechselnde Pegelstände des Wassers tödlich: Der Laich wird entweder weggeschwemmt, oder er befindet sich plötzlich im Trockenen. So kann nur ungenügend Jungfisch nachwachsen. Angesprochen ist hierbei vor allem die Elektrowirtschaft in Frankreich. In der Schweiz gibt es lediglich ein kleines Kraftwerk bei La Goule.

Vielfältige Hilfsmassnahmen

Das Problem ist längst erkannt, Arbeitsgruppen wurden gegründet, Papiere verfasst, doch viel passierte bisher nicht. Die Berner Konvention, die angerufen wurde, empfiehlt nun bis 2016 die Umsetzung verschiedener Massnahmen. Der Lebensraum und die Populationen des heute überaus seltenen Roi du Doubs, jedoch auch aller anderen Fische wie etwa Forellen, Barsche, ­Äschen, Hechte und Weissfische, soll in «einen günstigen Erhaltungszustand» zurückversetzt werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, soll die Fisch-Durchgängigkeit des Flusses verbessert werden. Alte Wehre sollen möglichst abgerissen werden. Ausserdem soll der schädliche Schwall-Sunk-Betrieb der Wasserkraftwerke, der für die schnellen Änderungen der Pegelstände verantwortlich ist, abgeschafft werden. Auch die Düngerbelastung durch die landwirtschaftliche Nutzung soll reduziert werden. Das Land wird oftmals bis an die Gestade des Doubs bewirtschaftet. Oftmals wird Futtermais angepflanzt. «Da müssen Pestizide und Dünger rein», so Dublin. Und über die Viehwirtschaft gelangt Antibiotika und anderes in den Fluss: «Ich kenne keinen Biobauern direkt am Doubs.»

Die Kläranlagen entlang des Flusses sollen, so eine weitere Forderung, rasch modernisiert werden. Der Doubs, so Dublin, sei mit Mikroverunreinigungen belastet, etwa durch Medikamentenrückstände, welche die Kläranlagen passieren. Die Sanierung der Kläranlagen ist deshalb eine Notwendigkeit. In den Augen der Naturschutz- und ­Fischerei-Verbände sind das wichtige und richtige Empfehlungen an die Schweiz und Frankreich. Damit sollen die Interessen neu fokussiert werden – von der Ausbeutung der Natur hin zu deren Erhaltung und Schutz.

2011 trafen sich an der schweizerisch-französischen Grenze in Goumois Fischer und Naturfreunde, um gegen den rücksichtslosen Umgang mit dem Doubs zu protestieren. «Die Politiker beschränken sich lediglich darauf, in der Presse unter der Rubrik ‹Rettet den Doubs› positive Nachrichten zu verbreiten», schreibt die Société des Pêcheurs. Mitte Mai wurde eine weitere Manifestation durchgeführt, diesmal im französischen Saint-Hippolyte. Dort wurden nicht nur die Missstände im Doubs, sondern auch in den Nachbarflüssen ­beklagt. Etwa die hohe Sterblichkeit von Forellen und Äschen, dies auch in den Gewässern der Loue, im Ain, in der Bienne und im Dessoubre. In einer Petition an die zuständige Ministerin Ségolène Royal wird eine Normanpassung an die fragilen Karstflüsse verlangt.

Zwei Wochen keine Grippe

Die Wasserwerke verursachen nur einen, wenn auch wichtigen Teil der Probleme, die den Doubs und die angrenzenden Gewässer belasten. Anfangen, so Dublin, müsse man deshalb bei den Betreibern der Kraftwerke. Heute würde die Elektroindustrie jedoch «mit dem Segen des Bundes» mit Samthandschuhen angefasst. Doch auch die Holzwirtschaft sei nicht unschuldig: Gefällte Bäume werden gegen schnelle Fäulnis gesprayt, sodass sie länger liegen gelassen werden können. Bei Regen fliessen diese Chemikalien dann in den Fluss. Bei den Bauern wäre eine Umstellung auf Bio-Betriebe relativ einfach durch- und umzusetzen. Schwieriger, da vor allem teurer, sei es wohl, die Kläranlagen umzurüsten und auf den neuesten Stand der Technik zu bringen.

Die Beeinträchtigungen durch Kajakfahrten und Schwimmer seien, so Dublin, vernachlässigbar. Apropos Schwimmer: Der Clos du Doubs ist ein beliebtes Ausflugsziel in der wärmeren Jahreszeit. Und dies nicht nur für Menschen, die in der Region leben. Gerne wird im Doubs auch gebadet. Die Wasserqualität lässt das zu – auch heute. Doch was, wird Wasser geschluckt? «Dann», so Dublin, «kriegt man zwei Wochen keine Grippe.»
Quelle: Basler Zeitung, 14.08.2014
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