„Nicht die Räuber, das Gift ist es“

Der Naturschutzbund (Nabu) Odenwaldkreis übt Kritik am Entwurf einer neuen hessischen Jagdverordnung. Bestandsbedrohte Arten wie der Feldhase bekämen immer noch keine ganzjährige Schonzeit. Der Nabu Odenwaldkreis kritisiert zudem die Stimmungsmache von Jägern gegen Elstern und Rabenkrähen. Nabu-Vorsitzender Gerhard Germann bezeichnet die Argumentation des Hessischen Jagdverbands als völlig überzogen, dass bei einer Verkürzung der Jagdzeit auf diese Räuber angeblich ein „stummer Frühling“ ohne Singvögel drohe. Elstern und Rabenkrähen sind zwar Nesträuber, räumt Germann ein, die Brutverluste können Amseln, Rotkehlchen, Finken und andere Singvögel aber durch ihre vielen Nachkommen ausgleichen. Und: Auch Eichhörnchen, Siebenschläfer und alle Spechte sind Nesträuber. „Mit dem Fraßdruck durch Eichhörnchen, Elstern und Rabenkrähen leben die Singvögel seit vielen tausend Jahren“, stellt Germann klar. Rabenvögel hätten zudem auch viele nützliche Seiten: Sie fressen Raupen, Mäuse, Maikäfer sowie Drahtwürmer und tragen damit zur natürlichen Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft bei. Insekten als Basis der Nahrungspyramide für die meisten Vogelarten werden dabei nicht maßgeblich dezimiert. Der von den Jägern beschworene „stumme Frühling“ drohe nicht durch Rabenvögel, sondern vielmehr durch einen überzogenen Gifteinsatz in der Landwirtschaft, betont der Nabu Odenwaldkreis.

Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gab es noch nie so wenige Insekten wie heute. Die Folge sei ein starker Rückgang von Vogelarten wie Feldlerche, Goldammer oder Schafstelze – auch im Odenwaldkreis. Hinzu komme, dass durch das Umbrechen von Feldwegen, Feldrandstreifen und die Zerstörung von Feldgehölzen Bruträume für viele Vögel verloren gehen. Baumfällungen und Aufarbeitung des Holzes während der Brutzeit führten zum Rückgang der Populationen von Rot- und Schwarzmilan.

Der Nabu fordert daher gemeinsame Anstrengungen von Naturschützern und Naturnutzern zur Verbesserung der Lebensräume und zur Beruhigung von Feldflur und Wald in der Brut- und Setzzeit. Es gilt, naturnahe Gärten und Fluren zu fördern. Singvögel und Niederwild brauchen Versteckmöglichkeiten und ein gutes Nahrungsangebot.

Jagd sei sinnvoll, denn sie schützt vor Wild- und Verbissschäden und reduziere das Risiko von Wildunfällen, betont der Nabu Odenwaldkreis. Auch das Fleisch von nicht bedrohten Tierarten dürfe selbstverständlich genutzt werden. Angeblich „böse Arten“ zum Abschuss freizugeben, führe aber nicht weiter. „Hessen braucht daher eine ökologische Land- und Forstwirtschaft mit einer ökologisch ausgerichteten Jagd“, betont Germann. Deshalb wünscht sich der Nabu Odenwaldkreis einen konstruktiven Dialog mit der Jägerschaft. Das Ergebnis sollte sich in der neuen hessischen Jagdverordnung niederschlagen.

Quelle: Echo, 07.10.15
http://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/nicht-die-r…