Pestizide schaden Bienen und Hummeln

In der Landwirtschaft häufig eingesetzte Pestizide sind am rapiden Niedergang von Bienen und Hummeln mit schuld. Obwohl diese Pestizide als nicht-bienengefährlich zugelassen sind, schädigen sie schon in geringen Dosen das Nervensystem der nützlichen Insekten. Das berichten europäische Forscher in gleich zwei Studien im Fachmagazin "Science" (Beilage). Die beiden Experten-Teams erforschten die Wirkung von Neonicotinoiden. Diese Gruppe gängiger Insektizide ist in zahlreichen Ländern im Einsatz. Wissenschaftler aus Frankreich entdeckten, dass das Gift die Orientierung der Bienen stört: Die Tiere finden den Weg zu ihrem Volk nicht mehr. Ein Team aus Großbritannien entdeckte, dass Hummelvölker nach der Behandlung mit den Insektiziden stark ausgemerzt waren. „Einige Hummelarten sind enorm zurückgegangen. Beispielsweise in Nordamerika sind manche Arten mehr oder weniger komplett vom Kontinent verschwunden“, schreibt der britische Forscher Dave Goulson von der schottischen Universität in Stirling.

In Großbritannien seien bereits drei Arten ausgelöscht. Goulsons Team setzte Hummelvölker dem Insektizid Imidacloprid aus. Whitehorn und ihre Kollegen hatten Hummelkolonien über 14 Tage hinweg mit Pollen gefüttert, der mit einer niedrigen Dosis des Neonicotinoids Imidacloprid behandelt worden war. Sechs Wochen nach dieser Behandlung waren die behandelten Kolonien bis zu zwölf Prozent kleiner als nicht behandelte Kontrollkolonien. Die Forscher vermuten, dass Nervenschäden die Hummeln beim Futtersammeln beeinträchtigten.

"Die dem Spritzmittel ausgesetzten Kolonien brachten zudem 85 Prozent weniger neue Hummelköniginnen hervor", berichten die Forscher. Da bei den Hummeln nur die Königinnen den Winter überleben und dann im Frühjahr neue Kolonien gründen, bedeute dies auch 85 weniger Hummelnester im folgenden Jahr.Die Dosis war jener ähnlich, der die Tiere in der Natur begegnen. In einer geschlossenen Umgebung hausten die Hummeln sechs Wochen lang unter natürlichen Bedingungen. Zu Beginn und am Ende des Experiments wogen die Forscher die Nester mit dem gesamten Inhalt: Hummeln, Wachs, Honig, Larven und Pollen. Die belasteten Kolonien waren im Durchschnitt acht bis zwölf Prozent kleiner als die Kontrollgruppe. Außerdem entdeckten Goulson und seine Kollegen, dass die behandelten Hummeln etwa 85 Prozent weniger Königinnen hervorgebracht hatten. Dies sei ein wichtiger Punkt: Die Zahl der Königinnen beeinflusse die Zahl der neuen Nester im kommenden Winter. "Es müssen dringend Alternativen zu den Neonicotinoid-Pestiziden entwickelt werden", warnen Penelope Whitehorn von der University of Stirling und ihre Kollegen. Sowohl Hummeln als auch Bienen seien für die Bestäubung von Obstbäumen, Gemüse und vielen anderen Pflanzen unverzichtbar. Fehlen sie, tragen die Bäume keine Frucht und viele Gemüsesorten bringen keinen Ertrag mehr.

Henry und seine Kollegen hatten 653 Bienenarbeiterinnen winzige RFID-Mikrochips auf den Rücken geklebt. Über diese Sender verfolgten die Forscher die Bewegungen der einzelnen Bienen bei ihren Sammelflügen. Einigen dieser Bienen verabreichten die Wissenschaftler eine nicht-tödliche Dosis des Spritzmittels Thiomethoxam, einem häufig eingesetzten Neonicotinoid. Die Dosis entsprach dabei in etwa der Menge, wie sie die Bienen auch über Nektar und Pollen von gespritzten Pflanzen aufnehmen würden."Zwischen 10 und 30 Prozent der behandelten Bienen fanden nach Sammelflügen nicht mehr zum Stock zurück", berichten die Forscher. Das Nervengift beeinträchtige das Heimfindevermögen der Tiere - vor allem, wenn die Futterquelle weiter vom Stock entfernt liege. Dadurch seien signifikant mehr Sammlerinnen gestorben als bei den unbehandelten Kontrolltieren. Mit Hilfe eines Modells berechneten die Forscher, wie sich das Ausfallen der Sammlerinnen auf die Entwicklung des Bienenstocks auswirkt. "Kolonien, die gespritztem Nektar ausgesetzt waren, schrumpften deutlich und erholten sich auch später nicht mehr davon", schreiben Henry und seine Kollegen.

Mickael Henry forscht am Nationalen Institut für Agrar-Forschung in Avignon (Frankreich). Er und sein Team klebten winzige Mikrochips an die Körper der Versuchs-Bienen. Einige der kleinen Tiere kamen in Kontakt mit dem Insektizid Thiamethoxam. Diese Bienen starben zwei- bis dreimal häufiger weit entfernt von ihrem Nest als die Tiere ohne Gift. Das Insektizid habe die Orientierung der Bienen gestört. Die Daten aus den Mikrochips nutzten die Forscher, um Flugrouten zu berechnen. Offenbar hatten die belasteten Bienen irgendwann eine Entfernung erreicht, von der aus es schwierig war, zurückzufinden. "Unsere Studie stellt die Zulassungsrichtlinien für Pestizide in Frage", sagt Mickäel Henry. Bisherige Tests hätten die Folgen niedrigerer, nicht direkt tödlicher Dosierungen für die Bienen gravierend unterschätzt.

n-tv wissen: Bienensterben wird zum Risiko für die Landwirtschaft:
http://www.handelsblatt.com/video/wissen/bienensterben-wird-zum-risiko-…

Quellen:
Luxemburger Wort, 29.03.2012
http://www.wort.lu/de/view/pestizide-schaden-bienen-und-hummeln-4f7433e…
Nordkurier, 29.03.2012
http://www.nordkurier.de/cmlink/nordkurier/pestizide-schadigen-bienen-u…
Blick, 29.03.2012
http://www.blick.ch/news/ausland/pestizide-schaedigen-laut-wissenschaft…
Der Standard, 29.03.2012
http://derstandard.at/1332324188849/Insektengifte-Pestizide-bringen-Bie…
SPIEGEL ONLINE, 30. März 2012
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,824630,00.html
Scinexx, 30. März 2012 & 9. September 2012
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-14617-2012-03-30.html
http://g-o.de/wissen-aktuell-14617-2012-03-30.html

Französische Wissenschaftler zum Bienensterben im Fachmagazin "Science"
http://www.sciencemag.org/content/335/6076/1555.summary

Studie britischer Wissenschaftler zum Bienensterben in "Science"
http://www.sciencemag.org/content/early/2012/03/28/science.1215025