Neonicotinoide. Auswirkungen auf Umwelt und Bienen - Anfrage von Maya Graf im Schweizer Parlament und Antwort des Bundesrates

Neonicotinoide (darunter auch das Clothianidin) sind in verschiedenen Pflanzenschutzmitteln enthalten. Es sind sehr starke Nervengifte. Sie werden weltweit insbesondere von den Imkern heftig kritisiert. Neonicotinoide sind für Bienen giftig und gelten als eine der möglichen Ursachen für das nicht erklärbare Bienensterben.

Frau Bundespräsidentin Leuthard hat im Ständerat am 11. März 2010 bei der Debatte zu meiner Motion 09.3318, "Schutz der Bienen. Verbot des Nervengiftes Clothianidin als Pflanzenschutzmittel", erwähnt, dass in der Schweiz beim Zuckerrübenanbau 95 Prozent des Saatguts und beim Raps 70 Prozent des Saatguts mit neonicotinoidhaltigem Insektizid behandelt sind. Beim Mais waren es letztes Jahr 4 Prozent der Fläche. Im Unterschied zum Mais ist das Saatgut für Zuckerrüben und Raps pilliert. Das heisst, der Abrieb ist dort, dies laut der Bayer-Firmeninfo, viel geringer. Das BLW stützt sich daher in seiner Argumentation zum Bienensterben nur auf den Mais, weil dort das Problem mit dem Abriebstaub vorhanden ist. Das zweite grosse Problem ist aber das Guttationswasser. Scheinbar gibt es aber Guttationswasser auch bei Raps und Zuckerrüben.

Ich möchte daher dem Bundesrat folgende Fragen stellen:

1. Auf welcher Fläche wird in der Schweiz mit neonicotinoidhaltigem Insektizid angesät? Wie viele Hektaren sind es beim Mais-, beim Zuckerrüben- und beim Rapsanbau?

2. Welche Wirkstoffmenge an Neonicotinoiden wird in der Schweiz gesamthaft eingesetzt, und wer vertreibt sie?

3. Hat er Kenntnis davon, wie sich diese Mittel im Boden und in der Pflanze verhalten (die Abbauzeit ist sehr lange)? Können zum Beispiel Rückstände im Rapsöl oder im Getreidekorn nachgewiesen werden?

4. Werden die Rückstände auf dem Boden nicht mit dem Wind in die umliegenden Wiesen und Weiden geweht?

5. Wie sieht es mit dem Expositionsweg dieser Pflanzenschutzmittel durch Guttationswasser aus? Welche Untersuchungen werden diesbezüglich gemacht?

Antwort des Bundesrates vom 12.05.2010
1. Insektizide auf Basis von Neonicotinoiden sind in der Schweiz für die Saatgutbeizung folgender Kulturen bewilligt: Rüben, Raps, Mais, Getreide, Zwiebeln, Kohl, Lauch und Salat. Ausgehend vom Anteil an Saatgut, das in der Schweiz mit einem Insektizid gebeizt wurde, kann die betreffende Fläche geschätzt werden: 2500 Hektaren Mais (4 Prozent gebeiztes Saatgut), 19 450 Hektaren Zuckerrüben (95 Prozent gebeiztes Saatgut) und 15 500 Hektaren Raps (70 Prozent gebeiztes Saatgut).

In Deutschland und Frankreich sind Neonicotinoide für die Saatgutbeizung bei Rüben, Raps, Getreide und gewissen Gemüsesorten bewilligt. In Frankreich ist ein Neonicotinoid auch für Maissaatgut bewilligt.

Insektizide der Neonicotinoidegruppe sind auch für die Behandlung im Obstbau, von Kartoffeln, von Raps sowie gewisser Gemüsekulturen zugelassen.

2. Die Gesamtmenge an Neonicotinoiden, die in der Schweiz vermarktet wird, beläuft sich auf 2640 Kilo. Die Produkte werden von Bayer, Cemag, Stähler und Syngenta vertrieben.

3. Die Zulassungsstelle des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) verfügt über alle Daten, die zur Risikobeurteilung im Zusammenhang mit dem Einsatz eines Pflanzenschutzmittels benötigt werden. Diese Beurteilung beinhaltet auch das Verhalten des Pflanzenschutzmittels im Boden und in der Pflanze. Im Falle von Clothianidin beträgt die im Feld gemessene durchschnittliche Halbwertszeit des Stoffes im Boden 120 Tage. Die Fähigkeiten des Stoffs, sich im Boden zu binden oder im Wasser aufzulösen sind ebenfalls Parameter, die untersucht werden, insbesondere zur Beurteilung des Risikos einer Auswaschung ins Grundwasser. Im Falle von Clothianidin konnten bei der bewilligten Dosierung anhand von Lysimeterversuchen keine Stoffspuren im Wasser nachgewiesen werden.

Zahlreiche Rückstandsversuche mit Clothianidin gebeiztem Getreide-, Raps- und Zuckerrübensaatgut zeigen, dass Rückstände in den oberirdischen Pflanzenteilen, insbesondere in den essbaren Teilen, nur sehr gering bis nicht nachweisbar sind. Aus diesem Grund wurden die gesetzlichen Höchstkonzentrationen für Clothianidin in Getreide, Rapssaat und Zuckerrüben auf die analytische Nachweisgrenze von 0,01 Milligramm pro Kilo festgelegt.

4. Bei vorschriftsmässiger Verwendung als Saatgutbeizmittel sind äusserst geringe Pflanzenschutzmittelrückstände an der Bodenoberfläche zu erwarten. Zudem wird das Phänomen der Winderosion in der Schweiz nur bedingt angetroffen. Das Risiko einer Kontaminierung benachbarter Parzellen aufgrund dieses Phänomens ist daher vernachlässigbar.

5. Unter gewissen Umständen (wassergesättigter Boden und Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent) produzieren junge Maispflanzen Flüssigkeitstropfen an den Blatträndern (Guttationswasser). Wurde das Saatgut mit Insektiziden der Gruppe der Neonicotinoide gebeizt, enthalten diese Blattsekrete Insektizidkonzentrationen, die für Bienen toxisch sein können. Das Risiko, das dieses Phänomen für Bienenvölker darstellt, ist von deren Exposition gegenüber diesen Sekreten abhängig.

Das Guttationswasser darf nicht mit Sekreten wie dem Nektar verglichen werden. Letzterer kann einen Zuckergehalt von über 15 Prozent aufweisen und ist für Bienen daher attraktiv. Das Guttationswasser verfügt hingegen über einen Zuckergehalt von weniger als 1 Prozent und wird von den Bienen nicht als Nahrungsquelle benutzt.

Die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit (AFSSA) hat eine Beurteilung des Risikos von Guttationswasser für Bienen, die auf das Sammeln von Wasser spezialisiert sind, vorgenommen. Sie kam zum Schluss, dass das Risiko aus den folgenden Gründen sehr klein ist: Die Häufigkeit und Dauer des Auftretens von Guttationswasser ist beschränkt, die Literatur weist auf eine Vorliebe der Wassersammlerinnen für Regen- oder Pfützenwasser hin, das Guttationswasser ist für Bienen wenig attraktiv. Bis heute konnten weder in der Schweiz noch im Ausland Bienenvergiftungen auf das Guttationswasser zurückgeführt werden, und dies obwohl Saatgut seit vielen Jahren mit Neonicotinoiden gebeizt wird. Auch bei den beiden Versuchen, die das BLW 2009 durchführte, konnte trotz hoher Insektizidkonzentrationen im Guttationswasser keine negative Auswirkung auf die Bienenvölker, die am Versuch beteiligt waren, festgestellt werden.

In Deutschland und Frankreich werden derzeit zahlreiche Versuche durchgeführt, welche das Risiko einer Exposition von Bienen gegenüber Guttationswasser eruieren sollen. Die Schweizer Zulassungsstellen stehen in engem Kontakt mit den deutschen und französischen Kollegen, Informationen zu diesen Versuchen werden laufend ausgetauscht.

Quelle: Curia Vista - Geschäftsdatenbank des Schweizer Parlament
http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=2010104…